Heute fand die 1. Sitzung des Geschäftsordnungsausschusses der BVV Xhain statt.

Der erste Tagesordnungspunkt war der offene Brief der Piraten an die anderen Fraktionen bezüglich der Besetzung des Bezirksamtes (BA). Zur Sitzung geladen war Herr Baasen, Leiter des Rechtsamtes Xhain. Dieser verkündete die rechtliche Auffassung des Rechtsamtes und der Bezirksaufsicht. Kurz zusammengefasst beinhaltet diese, dass die Verzerrung der Mehrheitsverhältnisse bei der BA-Besetzung nach d’Hondt in Xhain kein atypischer Fall ist und somit eine Abweichung von der Soll-Vorschrift nach d’Hondt zu verfahren rechtswidrig ist. Auf die Frage, wann denn ein Fall vorliegen würde der ein Abweichen rechtfertigen würde, konnte er keinen benennen. In der weiteren Diskussion um das Entstehen der aktuellen Rechtslage stellte sich heraus, dass der Gesetzgeber auf Landesebene auf halben Weg zum politischen BA eine Kehrtwende gemacht hat. Daraus resultiert für die Bezirke eine Situation, in der es zwar kein politisches BA gibt, eine Partei mit 35% der Wählerstimmen aber die absolute Mehrheit im BA erlangen kann. Völlig irrsinnig wird die Sache dann auch noch durch die Möglichkeit, jenseits der stärksten Fraktion eine Zählgemeinschaft zur Wahl des Bürgermeisters bilden zu können. Hier kann es jetzt dazu kommen, dass ein von der Mehrheit der BVV gewählter Bürgermeister im BA gegen eine absolute Mehrheit der stärksten Fraktion ohne Mehrheit in der BVV regieren soll. Das ist kein politisches BA, das ist auch kein proportionales BA, das ist einfach totaler Murks den das Land Berlin hier den Bezirken vorsetzt.

Zweiter Tagesordnungspunkt war der in der letzten BVV-Sitzung in den GO-Ausschuss verwiesene Antrag der Linken, dass die BVV-Sitzungen per Livestream im Internet übertragen und auf der Internetseite des Bezirks archiviert werden. Da bisher keine genaueren Angaben erfolgten, wie dieses Vorhaben umgesetzt werden soll, wurden alle Fraktionen gebeten sich noch einmal mit diesem Thema zu befassen. Diskutiert wurde außerdem, ob dieser Punkt überhaupt Bestandteil der GO sein muss. Ich habe mich vehement dafür eingesetzt den Punkt in die GO aufzunehmen, um dadurch eine Verbindlichkeit festzuschreiben. Im Sinne der Transparenz ist die BVV hier in der Bringschuld.

Dritter und letzter Tagesordnungspunkt war die Besetzung der Ausschüsse mit Bürgerdeputierten. Hier hat sich gezeigt, dass die Wirkungsweise der neuen Regelungen noch nicht von allen Verordneten vollumfänglich verstanden wurde. Der GO-Ausschuss stellte abschließend fest, dass das Verfahren wie die Bürgerdeputierten zu besetzen sind steht und es somit Aufgabe des Ältestenrates (ÄR) ist, die Besetzung nach diesen Regeln auszuhandeln. Der ÄR tagt am 15.11.2011. Über die Ergebnisse wird dann Felix, unser Mitglied im ÄR hier berichten.

 

Ralf Gerlich

Fraktionssprecher der BVV-Fraktion der Piratenpartei Friedrichshain-Kreuzberg

4 Kommentare

  1. 1

    Ich war auch auf der Sitzung. Zum ersten Punkt:
    Meine Erinnerung an die Ausführungen des Rechtsamtsleiters ist ein bischen anders. Er hat ausführlich dargelegt, warum er keinen atypischen Fall in der aktuellen Situation erkennen kann, aber nicht daß ein abweichen von d’Hondt generell rechtswidrig wäre.
    Hier nochmal meine Argumentation warum es sich in der Summe doch um eine aussergewöhnliche situation handelt:
    – Eine völlig neue politische Kraft ist entstanden
    – diese hat aus dem Stand rund 14% der Stimmen erobert
    – die Entwicklung war äusserst dynamisch und deshalb für alle Beteiligten überraschend
    – die Mehrheitsverhältnisse in der BVV bilden deshalb nicht die tatsächlichen Wählerstimmenanteile ab
    – Die Anwendung von d’Hondt zur Besetzung der fünf Sitze des Bezirksamts verzerrt drastisch die Mehrheitsverhältnisse der BVV, die sowieso schon per d’Hondt ausgezählt wurde. So wurden aus 35% Wählerstimmen 40% BVVsitze die wiederum zu 60% BA-sitzen führen würden.

    Der Rechtsamtsleiter hat sich ausschliesslich juristisch mit dem letzten Punkt befasst. Die eigentliche politische Entscheidung liegt jetzt wohl bei der BVV, unabhängig von den juristischen Abwägungen, da die vorgeschriebene Diskussion im GO-ausschuss jetzt ja stattgefunden hat.

    Zum zweiten TO-Punkt:
    Die Linken haben es leider versäumt sich sachkundig zu machen bevor sie ihren Antrag formuliert hatten. Deshalb muß sich jetzt u.a. der Haushaltsausschuss wie auch die IT-Abteilung damit auseinandersetzen, die beide gegenseitig ohne verbindliche Informationen aus der anderen abteilung ungefähr gar nichts sagen oder gar entscheiden können. Die sind jetzt also voraussichtlich die nächsten 12 Monate damit beschäftigt, bevor überhaupt irgendetwas passiert.
    Klasse Aktion von der Linken! So stell ich mir ’ne echte Funktionärspartei vor.

    zum dritten TO-Punkt:
    Vielen Dank an Herrn Müller von der CDU, daß er vorgetragen hat den entscheidenden Punkt bei den Bürgerdeputierten noch nicht verstanden zu haben. Wie sich bei der nachfolgenden Diskussion gezeigt hat, war auch sonst niemand in der Lage die Angelegenheit verständlich darzulegen.
    Wie ich das ganze mittlerweile verstanden habe, sollen die BDs nach der Festlegung durch den Ältestenrats lediglich zusätzlich zu den Fraktionären einen sitz (und Stimmrecht) in einem ausschuss erhalten können. Also eher so eine Art Placebo, weil die eigentlichen entscheidungen ja sowieso von der BVV getroffen werden. Das erklärt dann wohl auch warum die Grünen da so grosszügig verzicht geleistet haben. Aber interessant ist die Begründung: Weil bei der Auszählung nach d’Hondt die kleinen fraktionen ja fast leer ausgehen würden beim thema Ausschusssitze (mit fünf ’s‘).

    Peter Klose
    Fahrradmechaniker
    Softwareentwickler
    unabhängiger Politikmacher

  2. 2

    Zuerst: ich habe euch gewählt, fand euren Ansatz spannend. Aber was ihr da jetzt abzieht, ist echt ein starkes Stück. Es kommt mir als euer Wähler so vor, als wenn ihr die beleidigten Jungs aus dem Kindergarten spielt. So ganz nach dem Motto: Wir wollen jetzt aber unseren Stadtrat. Ihr hattet ihn. Mit meiner und vielen anderen Wählerstimmen! Ihr habt ihn nicht wahrnehmen können. Leider zu wenig Leute auf der List – das war eure Antwort, warum es dann doch nicht reichte. Ich finde es immer noch schade, dass es bei so einem super Ergebnis nicht reichte von den Personen her.
    Jetzt wollt ihr das Zählverfahren ändern, um doch noch einen Stadtrat (den ihr ja eigentlich hättet) zu kriegen – so verstehe ich euch zumindest. Und das ganze nach der Wahl. Das ist so, als wenn die Prozenthürde mal eben nachträglich geändert würde. Denn: oben schreibt ihr ja selber, dass es kein politisches Bezirksamt gibt. Also ist die Besetzung der Stadträte gebunden an die Stärke nach dHondt und somit im politikwissenschaftlichen Sinne gebunden an die abgegebenen Stimmen (zumindest verstehe ich euch oben in den Artikeln so) – und da sind wir bei einer Änderung der Spielregeln im nachhinein, was ich als undemokratisch verstehen würde. Denn: der Wähler entscheidet mit seiner Stimme bewusst für die Zusammensetzung aller Gremien im Bezirk (so stellt ihr es oben zumindest da). Eine Änderung im Zählverfahren hätte vielleicht bei der Wahl andere Ergebnisse herbeigeführt (so wie bei Mehrheits- vs. Verhältniswahl) – zumindest ist es nicht auszuschließen. Ich habe mich im Bezirk zumindest mit voller Konsequenz entschieden.
    Ich fand oder besser finde noch eure Ideen von Politik machen reizvoll. Aber eure kruden Verbiegungen sind peinlich. So fühle ich mich mit meiner Stimme von euch nicht gut vertreten.

    Thorsten aus Friedrichshain

    • Je öfter ich den Post durchlese, um so konstruierter und berechneter kommt mir das Ganze vor.
      Ein einziger grammatikalischer Fehler: List statt Liste
      Das ganze riecht irgendwie ein bischen komisch…
      nach Meinungsmache gegen die Teilhabe der Piraten am Bezirksamt

  3. 3

    Hier gehts nicht ums Beleidigtsein oder Nachtreten, sondern schlicht darum eine angemessene Teilhabe an den entscheidenden Machtstrukturen zu bekommen. Denn die eigentliche Macht im Bezirk hat eben das Bezirksamt mit seinen jetzt nur noch fünf Mitgliedern. Wer da nicht dabei ist hat eben einfach nichts mitzureden. Politik *ist* eben auch das Ringen um Macht und Einfluss und wie du richtig schreibst haben die Wähler es gewollt, daß die Piraten da mitreden.
    *Der Wähler* hat _nicht_ gewollt, daß die Grünen mit 35 Prozent mit unangreifbarer fast Zweidrittelmehrheit in quasi absolutistischer Weise das Bezirksamt und damit den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg beherrschen.
    Da ändern auch ein paar Bürgerdeputierte als generöser „Verzicht“ der Grünen nichts dran.
    Und mir scheint, daß auch Bürgermeister Franz Schulz nicht die richtige Person dafür ist, hier eine „Machtergreifung“ der Grünen auf Kosten der Piraten durchzupeitschen.
    Und zum Thema *Nachträglich*, der Gesetzeskommentar bezieht sich ausdrücklich auf Stimmenverhältnisse, die den Wählerwillen mit der Auszählung nach d’Hondt stark verzerren. Die Auszählung kann naturgemäß erst nach der Wahl stattfinden, genauso die hier vorliegende Verzerrung. Und nebenbei bemerkt waren es gerade die Grünen, die mehrfach die Abkehr von d’Hondt in/nach verschiedenen Wahlen auf dem Rechtsweg angeführt haben, weil sie da eben selbst benachteiligt wurden.

    Peter K.

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